Der Triebbegriff hält sich noch hartnäckig in einigen Bereichen der Hundewelt. Vor allem im Hundesport und der Hundeausbildung für professionelle Zwecke, spricht man noch oft vom Trieb des Hundes, ohne genau zu wissen wovon man da eigentlich spricht. Schutztrieb, Jagdtrieb, Futtertrieb usw. sind Begriffe die gern verwendet werden. Aber was bedeutet das denn und woher kommt es?
Nun zuerst einmal schauen wir uns kurz an, was wir als Triebe bezeichnen. Als Trieb wird der „Antrieb“ eines Lebewesens bezeichnet etwas zu tun. Demnach ist der Jagdtrieb, der Antrieb des Hundes zu jagen. Klingt einfach! Ist das auch so? Bestimmte Rassen haben nach dieser Ansicht einen höheren Jagdtrieb als andere. Also sprechen wir beim Trieb nicht nur vom Antrieb eines Verhaltens per se, sondern auch von Wesensmerkmalen. Also schon zwei Dinge die mit dem „Trieb“ bezeichnet werden. Und je nach Ansicht gibt es noch mehr. Das klingt oft auf den ersten Blick logisch, ist es aber nicht. Das wird klar, wenn man genau hinsieht. Genau hier liegt der erste Knackpunkt. Beim Aufkommen des Triebbegriffes, hat nämlich anfangs keiner so genau hingesehen.
Der Begriff entstammt der Triebtheorie nach Konrad Lorenz, ein Pionier der Verhaltensforschung. Allerdings baute er seine Triebtheorie in den 30er Jahren auf wenigen, eher anekdotischen Beobachtungen auf. Also nichts das man als Verhaltensstudie bezeichnen könnte. Genau genommen, sagte die Triebtheorie nicht mehr aus, als das hinter dem Verhalten von Tieren ein An-Trieb steckt, der im Dienste der Selbst- und Arterhaltung steht. Das erklärt die Zusammenhänge etwa so exakt, als würde jemand feststellen: „Mein Auto hat einen Antrieb.“
Hanna Maria Zibelius (eine Schülerin Lorenz´) ging so weit und bezeichnete die Triebtheorie sogar als Beispiel, für das Entstehen von Pseudoerklärungen in der Wissenschaft und zwar bereits in den 50er Jahren. Pseudoerklärung bezeichnet in der Wissenschaftstheorie Abfolgen von Sätzen, die augenscheinlich die Struktur und Funktion von wissenschaftlichen Erklärungen aufweisen, die Ansprüche an wissenschaftliche Erklärungen aber dennoch nicht erfüllen. Das kennen wir auch aus anderen Bereichen der Hundewelt, denkt man mal an die ganzen Theorien von Dominanz und Unterwerfung.
„In der Mensch-Hund-Beziehung existiert keine soziale Rangordnung, schon allein deshalb, weil der Mensch sich nicht mit dem Hund verpaaren kann. Da wir aber die „Ersatzeltern“ für unsere Hunde sind, müssen wir eine Vorbildfunktion haben und soziale Kompetenz ausstrahlen. Dies tun wir nicht, indem wir sie ständig maßregeln oder womöglich noch auf sie einprügeln, sondern, indem wir unseren Tieren Lebenserfahrung und Wissen vermitteln…“ Von Günther Bloch. Kynologe & Autor
Aber wie sieht es dann tatsächlich aus?
Verhalten entsteht durch ein Zusammenspiel verschiedenster Faktoren. Im Grunde kann man diese in zwei Gruppen einteilen. In exogene Faktoren, also Außenreize und endogene Faktoren, also grob gesagt, all das was sich im zentralen Nervensystem abspielt. Anhand dieser zwei Gruppen sieht man schon das Verhalten viel zu Komplex ist, als das es durch die Triebtheorie erklärt werden könnte. Denn exogene Faktoren können ja alle Dinge sein die im Kontext zum Verhalten stehen. Endogene Faktoren sind nicht nur min. genauso vielfältig, sondern für uns auch nicht offensichtlich, denkt man hier nur mal an dass Hormonsystem. Ein junger unkastrierter Rüde mit einem hohen Testosteronspiegel verhält sich in identischer Situation völlig anders, als ein älterer Rüde mit niedrigem Testosteronspiegel.
Aber nicht nur Hormone sind verantwortlich für das Verhalten unserer Hunde. Jeder Hund hat eine individuelle Persönlichkeit, der Eine ist eher introvertiert, der Andere eher neugierig usw. Jeder Hund ist einzigartig oder? Da würde kein Halter wiedersprechen, wieso sollen sie in der Ausbildung dann plötzlich doch alle gleich sein und auf gleiche Weise den gleichen Trieben folgen?
Wie ein Hund so tickt, wie er sich verhält und demnach auch wie er arbeitet oder wie leistungsfähig er ist, ist so individuell wie jeder einzelne Hund selbst auch. Hormonstatus, die Tagesform, die Persönlichkeit, seine Emotionen und Gefühle, entscheiden darüber was der Hund gerade tut bzw. wozu er gerade in der Lage ist. Hinzu kommt, dass der Hund die Welt völlig anders wahrnimmt als wir das tun. Vielleicht ist der Hund gerade von etwas abgelenkt, dass wir überhaupt nicht wahrnehmen, ein Geruch z.B. Das alles muss im Training und in der Ausbildung berücksichtigt werden. Wir müssen uns loslösen von starren Methoden, die voraussetzen das jeder Hund immer gleich „tickt“. Mein Hund kann jetzt im Moment eine völlig andere Motivation haben dem Spielzeug hinterher zu jagen, als in einer Stunde, morgen oder nächste Woche in einer anderen Umgebung. Deshalb lasst uns doch in Zukunft von Motivationen sprechen. Motivationen etwas zu tun, die abhängig sind von verschiedensten Faktoren.
Wahrscheinlich aber habt ihr trotz der Fragwürdigkeit alter Triebtheorien noch nie erlebt, dass Menschen in Gelächter ausgebrochen sind, wenn jemand im Zusammenhang mit Hunden von Trieben sprach. Dagegen können Aussagen wie: „Mein Hund ist eifersüchtig“ oder gar: „Mein Hund ist stolz auf seine Leistung“, schnell mitleidige Blicke oder Protest nach sich ziehen. Emotionen, speziell solche, die über Angst oder Spaß hinausgehen, trauen viele Menschen Tieren nach wie vor nicht zu. Die Furcht vor Vermenschlichung, dem sogenannten Anthropomorphismus, sitzt tief. Sie ist aber unbegründet, wenn wir über die Dinge sprechen, die unsere Hunde veranlassen etwas zu tun und dabei die Unterschiede zwischen Mensch und Hund hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und kognitiven Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Man darf Hundeverhalten dann auch mit menschlichem Verhalten vergleichen.
Was wir nicht tun sollten ist unseren Hunden eine Vorstellung von Moral und Ethik anzudichten. Ihm so zu unterstellen er hätte ein Gewissen und eine Vorstellung von Gut und Böse, wie wir Menschen sie haben. Verhaltenserklärungen die darauf beruhen, kann der Hund nicht gerecht werden. Dann befinden wir uns in der misslichen Lage den Hund tatsächlich zu „vermenschlichen“ und tun ihm nicht gut.
Wir sollten außerdem dringend aufhören zu versuchen, den Hund dem Menschen morphologisch anzugleichen, in dem wir ihm Kindchenschemata anzüchten, ihn so entstellen und seiner Lebensqualität berauben. Aber dies nur einmal am Rande. Mit allem anderen - nicht am Rande - Geschriebenen hoffe ich, den Ein oder Anderen zum Nachdenken bewegt zu haben. Nicht nur was den Begriff „Trieb“ in der Terminologie angeht. Nachdenken darüber, was unsere Hunde bewegt und zwar nicht (nur) körperlich sondern im Geiste. Denn einen solchen besitzen sie zweifelsohne.